Schreib-Tipp #7: Schreib‘ durch die Kamera!

Atmosphäre erzeugt man durch Sinneswahrnehmungen. Ist ja irgendwo logisch. Weil Buchseiten weder riechen noch klingen noch Bilder zeigen (außer natürlich in Bilderbüchern), müssen die Eindrücke im Kopf des Lesers entstehen. Vor allem im Visuellen kann es schwierig sein, harmonische Bilder zu erzeugen, weil viele Sätze und Handlungen sich zu widersprechen drohen. Ein Beispiel:

„Ich wagte es kaum, um die Häuserecke zu lugen. Wenn dort jemand stand, konnte ich mir jede Verteidigung abschminken. Im besten Fall hatte er eine Schusswaffe, im schlimmsten ein angerostetes Messer. Ich lauschte noch einmal. Absolute Stille. Verräterisch? Egal jetzt, los. Mit dem Helm voraus, das bleiche Gesicht folgte sterbenslangsam. Aber weder Schrot noch Messer durchdrangen es. Ich atmete erleichtert auf, verlor vor Zittern fast den Halt. Nur weiter, weiter jetzt. In diesem Moment flogen Bomber über die Stadt. Die Piloten drückten ohne zu zögern ihre Knöpfe, und ich wusste: Jetzt war es vorbei…“
 
Die Ungewissheit, die Beschränkung der Sicht, erzeugt zuerst eine ganz schöne Spannung. Aber was ist das? Die Kamera zuckt blitzartig mehrere hundert Meter in die Höhe, legt einen gewaltigen Zoom auf mehrere Menschen gleichzeitig hin und befindet sich im nächsten Moment wieder beim angsterfüllten Protagonisten. Eine kurze Verwirrung, die sicher nicht gut tut. Wie wäre es stattdessen damit:
 
„Nur weiter, weiter jetzt. Schon stand ich auf der breiten Straße, hielt erneut Ausschau nach Feinden. Mein Blick glitt die bröckelnden Fassaden entlang, instinktiv auf der Suche nach schussbereiten Scharfschützen. Nichts. Einen Moment nur atmete ich auf, ließ ihn in den blau brennenden Himmel fahren und bemerkte erst jetzt, viel zu spät, die von Triebwerken brodelnde Luft. Panisch wirbelte ich um mich, suchte ihre Richtung, ihre Anzahl, ihr Ziel – das musste ich sein. Dort, neun Uhr, drei Bomber. Bestimmt kitzelten ihre Fadenkreuze mich schon an der Nase. Neben dem grau-schwarzen Bild des feindlichen Soldaten das Hebelchen, versteckt unter einer Plastikkappe. Hochziehen, umlegen, abwerfen, fertig. Ich wusste: Jetzt war es vorbei…“
 
Wir merken also: Eine Kamera kann sich beliebig durch den Raum bewegen, aber sollte keine großen Sprünge machen. Eine Kamera, die nicht alles sieht, ist gut zur Spannungserzeugung. Um eine Kamerafahrt zu erreichen, hangelt man sich an den Objekten entlang, die die Kamera nacheinander sieht. Geräusche eignen sich, um die Kamera schnell herumfahren zu lassen. Und schließlich – wenn dein Text sich irgendwo holprig anfühlt, stell ihn dir einfach mal als Film vor und schreibe aus den entsprechenden Perspektiven 🙂

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